Mo 08. Juli 2024 19:30
Di 09. Juli 2024 19:30

Claudia Rorarius „Touched“ als ungewöhnliche Liebesgeschichte zu bezeichnen, wäre einerseits korrekt, würde andererseits doch am Kern des Films vorbeigehen. Denn wer sich hier verliebt – oder zumindest Sex hat – sind eine stark übergewichtige Krankenpflegerin und ihr querschnittsgelähmter Patient.

Fast ein Kammerspiel ist „Touched“. Die Welt scheint meist nur aus zwei Menschen zu bestehen: der jungen, unerfahrenen und übergewichtigen Krankenschwester Maria (Isold Halldórudóttir) und ihrem querschnittgelähmten Patienten Alex (Stavros Zafeiris). Anfangs erklärt eine andere Schwester Maria noch, was sie zu tun hat, danach ist sie weitestgehend auf sich allein gestellt, hilft Alex beim Essen, beim Schwimmen, beim Urinieren. Unweigerlich entsteht Nähe, Berührungen sind zwangsläufig, im Schwimmbecken, im Bett. Nachdem Alex fast ertrinkt – vielleicht ein Suizidversuch – entsteht bald ein Maß an Intimität. Während nach und nach die Ursachen von Alex’ Querschnittslähmung verdeutlicht werden, ein Außen entsteht, in dem eine attraktive Ex-Freundin existiert, Kontakt in eine Welt außerhalb des Krankenhauses, bleibt Maria eine Chiffre. Sie scheint kein Leben außerhalb des Krankenhauses zu haben, keine Freunde, keine Familie.

Beide Akteure stehen zum ersten Mal vor der Kamera und spielen in gewisser Weise Variationen ihrer selbst: Das isländische Plus-Size Model Isold Halldórudóttir ist auch Aktivistin der Body Positivity Bewegung, während der Grieche Stavros Zafeiris seit einem Motorradunfall selbst im Rollstuhl sitzt.

Ähnlich wie Adina Pintilies „Touch me not“, der vor einigen Jahren den Goldenen Bären gewann, arbeite auch Rorarius mit bewusst gesetzten Schockbildern, konfrontiert den Zuschauer mit Bildern, denen man sich normalerweise nicht aussetzen würde. Doch es gelingt es auch ohne solch betont provokante Bilder, eindringlich von einer zunehmend zerstörerischen Beziehung zu erzählen. Berührende Momente gelingen hier, die das konstruierte Konzept mit Leben erfüllen. Die beiden Darsteller wurden beim Festival in Locarno zurecht mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet.

 

Deutschland 2023; Regie & Buch: Claudia Rorarius; Darsteller: Isold Halldórudóttir, Stavros Zafeiris, Angeliki Papoulia, Yousef Sweid, Dimitra Vlagopoulou; Länge: 135 Minuten; Altersfreigabe: FSK 16; ÜBERLÄNGENZUSCHLAG